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"Vor dem Holunder soll man sich verbeugen"

Lieber Holler, hiermit entschuldige ich mich bei Dir ganz offiziell und hoffe, daß Frau Holda meine Gabe annimmt und es damit schön warm hat.

Auch wenn Ihr mich jetzt für verrückt erklärt – ich wurde gestern erst über die mythologische Bedeutung des Hollers aufgeklärt und habe nun ein schlechtes Gewissen, weil ich ihn einfach radikal gestutzt habe, ohne ihn vorher zu fragen.  

 

 

Gemäß der Volkskunde und Mythologie ist der Holunder ein heilkräftiger und magischer Baum. Sogar die Gebrüder Grimm haben in ihrem Märchen von der Frau Holle dem Holunder ein Denkmal gesetzt. Und für die Harry Potter Fans unter Euch - es ist der mächtige Elderstab – denn hinter Elder verbirgt sich das englische Wort für Holunder.

 

Die Mythologie des Holunders ist sehr stark mit Gestalten der Großen Göttin verknüpft. In Dänemark sagt man: Wer unter einem Holunder weilt in der Mittsommernacht, der sieht um Mitternacht den Elfenkönig mit all seinem Gefolge... In England und in Dänemark vermied man es einen Holunder zu fällen, da man glaubte, dass in seinem Stamm die Holunder-Mutter wohnt. Frau Holla oder Holda war eine germanische Haus– und Fruchtbarkeitsgöttin, eine den Menschen wohlgesinnte Gottheit, die Tier und Mensch heilt. Die Germanen sahen den Holunder als Wohnsitz der Göttin Freya, die schützend und wohlwollend über Haus und Hof wachte. 

 

"Vor dem Holunder soll man sich verbeugen“ sagt eine alte Bauernregel, in der der große Respekt vor der Macht des Holler-Wesens zum Ausdruck kommt. Wer einen Holunder mutwillig schädigte, konnte mit Krankheit, Unglück und Tod bestraft werden. Bauernhöfe werden oft heute noch an allen vier Ecken des Gehöftes von einem Holler beschützt und gesegnet.

 

Die Macht des Hollers war eine Macht über Leben und Tod: Junge Mädchen schüttelten am Thomas-Tag (3.Juli) einen Hollerbusch während des Abendläutens der Kirchenglocken kräftig durch. Die Richtung, aus der der erste Hund bellte, gab an, aus welcher Richtung der Bräutigam kommen würde.

Im Gegenzug begleitet der Geist des Holunders den Menschen auch aus dem physischen Leben hinaus: Wer unter einem Holler einschlief, lief Gefahr in der Anderswelt aufzuwachen. Verstorbene wurden auf Holunderzweige gebettet. Ein sterbender Holunder auf dem Hof wies auf den baldigen Tod eines Bewohners hin. Verstorbenen Familienmitgliedern brachte man eine schale Milch unter dem Haus-Hollerbusch dar, um ihre Seelen auf ihrer Reise zu unterstützen.

 

Der Holler bot auch eine besondere stimmungsaufhellende Wirkung. Um das Gemüt zu stärken und über schwierige seelische Situationen zu helfen, legte man sich einen Beutel mit getrockneten Holunderbeeren unter das Kopfkissen oder trug es bei sich.

 

Als Heilarznei ist der Holunder seit der Antike bekannt. Hippokrates pries seine Heilkraft gegen Verstopfung, Wassersucht und Frauenbeschwerden. Im 18. Jahrhundert setzten Heilkundige Holunder bei Fieber und Atemwegsinfektionen ein.

 

Er gilt als schweißtreibend, blutreinigend, blutstillend, entzündungshemmend, schmerzlindernd, anregend, harntreibend, krampflösend, schleimlösend und stärkend. Ihm wird auch eine antivirale und pilztötende Wirkung nachgesagt.

 

Seinen Großmut, seine ursprüngliche Kraft, seine Heilkunst und sein freundliches Wesen hat er bis heute nicht verloren. 

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